Anschluss ans europäische Bahnnetz
Anfangs der 1850er Jahre wurde im "Hof Ragaz" die Südostbahn gegründet, die sich später den Vereinigten Schweizerbahnen anschloss. Am 30. Juli 1858 hielt der erste Zug in Ragaz auf seiner Jungfernfahrt von St. Gallen nach Chur. Pfarrer J.A. Sebastian Federer stand in Begleitung von zwei Kindern mit Alpenrosenkränzen an der "Station" Ragaz und begrüsste die Fahrgäste: "Sie bringen uns mit diesem Zug das Morgenrot einer neuen Zeit. Was können wir Ihnen bieten, die Sie aus der reichen und schönen Stadt St. Gallen kommen? Wir sind ein armes Bergvolk, das keine irdischen Schätze kennt. Wir bringen Ihnen ein Blümlein, eine Alpenrose ..." Ein weiterer glaubwürdiger Beweis, dass Ragaz alles andere als ein wohlhabendes Dorf war. Über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt wurde Ragaz erst mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie von Zürich nach Chur im Jahr 1859.
Die dem Dorf wenig wohlgesinnte Familie Hauser brachte mit einer geplanten Bahnschlaufe vor ihr Hotel viel Unruhe unter die Dorfbewohner. In einem Bogen durch den heutigen Giessenpark hätte sie zur Nebenstation "Bad Ragaz" führen sollen, auf der nur die eigenen Kurgäste hätten fahren dürfen. Es sei kein Vorteil, wenn der Badegast die Dörfler kennen lerne. Vielleicht war das der Anfang des Grabenkriegs, der sich nie ganz zuschütten liess, zwischen dem Dorf und den späteren Kuranstalten. In einem Fremdenblatt von 1907 ist zu lesen: "In Ragaz gibt es zwei getrennte Dorfteile: Die Gasthäuser des Dorfes und die Bade- und Kuranstalten. Die ersteren liegen links, die letzteren rechts der Tamina."
Die Behörden bemühten sich, die Bewohner zu beschwichtigen. Die Ortsbürger waren gar nicht so streitsüchtig. Der Valenser Lehrer Flavian Kaiser charakterisierte die Einheimischen der damaligen Zeit folgender-massen: "Sie sind in der Mehrzahl Bauern von kräftigem Körperbau und abgehärtetem Wesen. Die Altbürger sind bedächtiger und langsamer als die niedergelassenen Industriellen. Der Kern ist durchschnittlich gut. Sie sind stolz darauf, nicht allzu höflich zu sein. Da der alte Ragazer mit Fremden wenig in Berührung gekommen ist, sind seine Gedanken auf den eigenen, engen Kreis konzentriert. Er hält fest am Hergebrachten und ist eher misstrauisch gegen Neuerungen. Wer aber einmal des Ortsbürgers Vertrauen gewonnen hat, kann mit seiner Verlässlichkeit rechnen."
Quelle
Ragazetta vom März 2015 / Bad Ragaz feiert 175 Jahre Thermalwasser
Das ehemalige fürstäbtlsche Palais: Hotel Hof Ragaz um 1850: